Bildhauer verbindet Krippenkunst mit Sozialkritik

Bildhauer verbindet Krippenkunst mit Sozialkritik
Veröffentlichungsdatum:
09 Dezember 2020
Es ist keine beschauliche Weihnachts-Idylle, wenn Maria mit Jesuskind ihren Verlobten Josef im Gefängnis besucht. Die "Knast-Krippe" des Bildhauers Rudi Bannwarth interpretiert das Weihnachtsgeschehen im Heute und soll zum Nachdenken anregen.

Es ist ein ungewöhnliches Bild für eine Weihnachtskrippe: Maria und Josef sind nicht im Stall von Bethlehem, sondern im Besucherraum eines Gefängnisses. Dort freut sich Knacki Josef auf den Besuch seiner Verlobten Maria mit Baby. Statt den Hirten sind zwei Vollzugsbeamte und ein Anwalt mit Aktenkoffer und Sonnenbrille Zeugen des Geschehens. Die sozialkritische Knast-Krippe des Ettlinger Bildhauers Rudi Bannwarth ist seit Donnerstag, 3. Dezember, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Karlsruhe ausgestellt.

Aber auch mit Humor will der Künstler zum Nachdenken anregen und platziert die Krippe in einen alten Röhrenfernseher. Dort schlägt der Stern von Bethlehem von oben ins Gehäuse ein. Statt weißgewandeter Engel mit Harfen und Geigen machen Rockmusiker mit Hut, Sonnenbrille und E-Gitarren auf dem Krippendach Musik - deutlich inspiriert von der US-amerikanischen Rockband ZZTop. Der Ochse hat sich im Paragrafendschungel verheddert und der Esel schaut stellvertretend für das Volk von draußen durch ein Fenster.
 

Harte Realität statt romantischer Folklore

Die außergewöhnliche Krippe soll Anstoß geben, sich mit der eigenen Situation und dem Umgang mit Außenseitern zu beschäftigen, sagte Bannwarth dem Evangelischen Pressedienst (epd). In der Weihnachtsgeschichte nach Lukas seien die Hirten als Erste an der Krippe gewesen, obwohl sie damals sozial verachtet waren und als unehrlich galten. Auch heute gebe es Verlierer und Außenseiter - Menschen, die im Knast weggesperrt ihre Strafe verbüßen.

"Die Geschichte, die schon millionenfach erzählt ist, übertrage ich in meine Lebenswelt", sagt Bannwarth, der in Berchtesgaden und Oberammergau das Krippenschnitzen gelernt hat. Die Geschichte von Jesus vor 2.000 Jahren sei "keine romantisch verklärte Familienfolklore" gewesen, sondern harte Realität. Mit seinen Installationen will er Zeichen setzen, an denen man sich reiben kann und die Spuren hinterlassen.
So verlegt der Krippenschnitzer, der seine Figuren ganz traditionell aus Lindenholz schnitzt und farbig lasiert, die Weihnachtsgeschichte jedes Jahr an einen anderen Ort: eine Tankstelle, den Bahnhof, eine Baustelle und in diesem Jahr in ein Gefängnis. Die sozialkritischen Krippen des überregional bekannten Bildhauers befinden sich in mehreren Museen, wie etwa dem Bayerischen Nationalmuseum in München. 2018 wurde der Künstler mit dem Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Preis geehrt.


Krippe in Tankstelle, am Bahnhof, auf Baustelle

Die Krippe im schwarzen Fernsehkasten sei eine "geniale Idee", findet der katholische Gefängnisseelsorger in der JVA Karlsruhe, Michael Drescher. Für die Gefangenen spiele der Fernsehapparat eine enorm wichtige Rolle und sei auch ein "Fenster zur Welt draußen". Nachdem die Geräte in den 1990er Jahren in den Haftanstalten eingeführt wurden, seien dort Alltagskonflikte rapide zurückgegangen.

Gerade Weihnachten sei ein schwieriges Fest für die Inhaftierten, die sich nach Familie sehnten und auf eine Zukunft hofften, sagt Drescher, der nicht nur in diesen Tagen für sie ein gefragter Gesprächspartner ist. Daher hat Bildhauer Bannwarth kurzerhand noch einen weiteren Hirten geschnitzt: Mit Lederjacke und Mundnasenschutz vervollständigt der Gefängnisseelsorger die Knast-Krippe.
 
07.12.2020 - Christine Süß-Demuth epd
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