Der Herr der Masken

Der Herr der Masken
Veröffentlichungsdatum:
26 März 2019
Ob Kehler Rhinwaldgeister, Schlammhexen oder Auemer Wallgrawedämone: So unterschiedlich die Masken aussehen, stammen sie doch von einem einzigen Mann. Ein Blick hinter die Kulissen der Oberkircher Fasnachtsmasken-Schnitzerei.
 
Kehl/Oberkirch. Wolfgang Ducksch fürchtet sich vor nichts. »Höchstens vor einem großen Ameisenhaufen«, sagt der 63-jährige Maskenschnitzer. Die Gäu-Hexa, an der Ducksch gerade schnitzt, ist eigentlich eine »gute« Hexe – und relativ harmlos im Vergleich zu dem, was Ducksch sonst noch in seiner Oberkircher Werkstatt aufzubieten hat: Gehörnte Dämonen, zottelige Ziegenköpfe, Werwölfe, Feuerteufel oder fratzenschneidende Gnome. Ducksch hat die Holzmasken alle selbst entworfen und gefertigt, sie sind entweder Geschöpfe seiner eigenen Fantasie oder entspringen der seiner Kunden. »Wenn ich mich vor Masken fürchten würde, könnte ich das ja gar nicht machen«, sagt der Holzbildhauer-Meister.
 
Die Gäu-Hexa ist ein Auftrag einer Fasnachtsgruppe aus dem schwäbischen Gäufelden. Ein schönes Teil, findet Ducksch, sie passt gut zur Mythologie des Ortes. Blutrünstige Teufel und Dämonen sind ihm eigentlich zuwider. »Das hat nichts mehr mit der schwäbisch-allemannischen Fasnacht zu tun. Aber leider geht der Trend eben immer mehr in diese Richtung«, sagt er und greift zu einem breiten Stechbeitel. Werwölfe, denen eine bluttropfende Hand aus den Zähnen ragt, oder Zombies mit Einschusslöchern am Kopf – das ist nicht die Ducksche Welt.
 
Vom Vormarsch der Kunststoffindustrie ist in der kleinen Oberkircher Holzschnitzerei nichts zu spüren. Ob Rhinwaldgeister, Schlammhexen oder Auemer Wallgrawedämone, in Duckschs unheimlichem Maskenkabinett geben sich fast alle Kehler Narrenvereine die Klinke in die Hand. »Vor über 20 Jahren waren unsere Masken aus Gummi«, erinnert sich der Oberzunftmeister der Sundheimer Hexen, Ralf Kraemer.

»Aber dann sind wir auf Holz umgeschwenkt, weil das Gummi durch die Schwitzerei schnell kaputt geht. Außerdem stinken die Gummimasken nach einer Weile stark.« Wie die Neumühler Gnome oder die Kehler Ilbetritschler lassen sich auch die Sundheimer Hexen ihre Holzmasken in Oberkirch anfertigen.
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Jedes Stück, das Wolfgang Ducksch schnitzt, ist ein Unikat. Selbst die Nachbestellungen. Zwar hat Ducksch eine Kopierfräse im Hinterzimmer, aber mit der Maschine überträgt er nur die groben Züge vom Grundmodell auf die Rohlinge. Der Rest ist Handarbeit. Jede Runzel, jeden Zahn, jedes Detail klopft Ducksch mit Hammer und Beitel in stundenlanger Feinarbeit aus der Maske heraus. Deshalb wird jede Maske ein bisschen anders. »Denn ich tu ja nicht auf den Millimeter genau schaffen«, sagt er. »Da würde ich ja verrückt werden.«

Außerdem passt Ducksch das Teil an die Gesichtsmaße des Trägers an. »Jeder bekommt seine eigene Maske«, erklärt Stefan Heidt von den Auemer Wallgrawe-Dämonen. Und die muss er auch selber zahlen. »Im Schnitt kostet so eine tolle Maske zwischen 200 und 250 Euro«, sagt er. »Aber wenn ein Mitglied den Verein verlässt, kann er uns seine Maske verkaufen und dadurch einem neuen Mitglied die Möglichkeit geben, ein gebrauchtes Stück zu kaufen.« Mit ein paar wenigen Änderungen hie und da kann Ducksch die Maske möglicherweise wieder an den neuen Träger anpassen. Ansonsten muss eine Neuanfertigung her – wie die Gäu-Hexa, an der Ducksch gerade arbeitet.


Wie die Orgelpfeifen
Auf der Hobelbank reihen sich Dutzende Stecheisen wie die Orgelpfeifen aneinander und warten auf ihren Einsatz. Aber das sind längst nicht alle Helfer, die der Meister aufzubieten hat. Ducksch zieht ein paar metergroße, flache Schubladen hinter seinem Werktisch auf: Hunderte verschiedene Beitel liegen hier auf Halde, Schweizer Qualität, sortiert nach Größe und Form. »Wenn ich vorgefräst habe, schaffe ich eine Maske am Tag«, sagt er. »Höchstens.« Das Grundmodell dauert etwa doppelt so lang.

Das Grundmodell, das ist die Vorlage, die Ducksch aus einem groben Holzklotz heraushaut. Zuerst modelliert er die Maske mit einfacher Kinderknete, dann knetet er die Mini-Maske vor den Augen des Kunden so lange um, bis sie so aussieht, wie dieser sie sich vorgestellt hat. Wer überhaupt keine Idee hat von dem, was er haben will, der kann unter den sogenannten freien Masken wählen, die Ducksch während der »Tote-Hose-Zeit« des Geschäfts – zwischen Aschermittwoch und Ende Mai – entworfen hat.

 
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